Schlagwort: MDD

MST009 – Aktuelles: Implant Files

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Fabian

Was sind die Implant Files?

Wikipedia-Artikel zu den Implant Files: https://de.wikipedia.org/wiki/Implant_Files

Der Begriff Implant Files bezeichnet eine Ende November 2018 veröffentlichte Recherche, des Internationales Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ), welche weltweit Lücken in der Kontrolle von Implantaten aufdeckte.

Die Veröffentlichung erfolgte unter Zusammenarbeit von der ICIJ, BBC, WDR, NDR, Das Erste und Süddeutscher Zeitung.

Vorangegangen war eine zweijährige Recherche mit mehr als 250 Journalisten aus 36 Ländern.

Für Aufsehen sorgte die niederländische Journalistin Jet Schouten, die den ersten Schritt zur Zulassung eines Mandarinennetzes als Vaginalnetz bekommen hatte.

Problematik

Die Recherche zeigt auf, dass Medizinprodukte oftmals zu leicht zugelassen werden.

Normalerweise müssen neue Medizinprodukte eine klinische Studie durchlaufen, bevor sie zugelassen werden. Ist dies jedoch bereits mit einem ähnlichen Produkt geschehen, so gilt das Äquivalenzprinzip, und die Zulassung besteht für den Hersteller dann nur aus dem Erhalt eines CE-Zeichens, wobei der erste Schritt eine Begutachtung der technischen Dokumentation darstellt und der zweite Schritt eine Begutachtung der Fabrik des Herstellers.

Auch die Unabhängigkeit der Prüfstelle, in Deutschland z. B. die Dekra oder der TÜV, wird infrage gestellt, da der Hersteller sowohl Auftraggeber der Prüfung ist und diese ebenfalls bezahlt. Das Prüfunternehmen entscheide bei der Prüfung dann oft nur anhand der vom Hersteller bereit gestellten Unterlagen und nicht anhand des Produktes selbst.

Sollte das Produkt abgelehnt werden, so hat der Hersteller allerdings auch die Möglichkeit, das Produkt bei einem anderen von etwa 50 Prüfunternehmen prüfen zu lassen.

Außerdem wird kritisiert, dass Hersteller oft selbst Medizinprodukte zurückrufen müssen und dies nur selten behördlich angeordnet werde.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist für die Überwachung der Medizinprodukte zuständig. Es kann selbst allerdings nur Empfehlungen aussprechen und keine Verordnungen oder Verbote erlassen. Dies kann nur eine entsprechende Landesbehörde tun, die dies allerdings selten macht. Außerdem meldet ein Arzt, im Falle einer Vermutung eines Fehlers im Produkt, dies an den Hersteller. Dieser habe, einer Untersuchung des BfArM zufolge, nur in etwa der Hälfte der Fälle reagiert.

Kritisiert wird ferner, dass des keine deutschlandweite oder europaweite Datenbank über implantierte Medizinprodukte gibt, ein sogenanntes Implantatregister.

Weltweit gibt es nur in 20 % der Länder öffentliche Datenbanken mit Informationen über Sicherheitswarnungen und Rückrufe von Medizinprodukten.

Bleeding Edge

Zuvor gab es die Netflix Doku Bleeding Edge. Dort werden teilweise die gleichen Produkte behandelt.

International Medical Device Database

Interessanterweise fehlen zwei interessante Länder:

Wie sieht die Realität aus?

Schwachstellen im System

  1. Äquivalenzprinzip: Viele Produkte werden gar nicht erst klinisch getestet, weil bereits ähnliche Produkte auf dem Markt sind. Nur etwa 10 Prozent der Produkte in der höchsten Risikoklasse werden selbst systematisch am Patienten erprobt.
    • Das Äquivalenzprinzip gibt es in Amerika. Dort können mit dem sogenannten 510(k) Verfahren “ähnliche” Produkte in Verkehr gebracht werden. Das Thema wurde in der Netflix Doku Bleeding Edge sehr anschaulich behandelt. In Europa gibt so so ein Verfahren nicht.
    • Die Anforderungen an die Äquivalenz der Produkte bei der klinischen Bewertung wurden in der Vergangenheit oft großzügig ausgelegt.
  2. Klinische Studien: Selbst wenn der Hersteller eine Studie durchführt: die Vorgaben dafür sind lax, ein Nutzen des Produkts für den Patienten muss nicht nachgewiesen werden.
    • Mit der neuen EU Leitlinie MEDDEV 2.7/1 wurden diese Anforderungen erhöht. Die benannten Stellen fordern dies auch streng ein, so streng, dass der Sinn des Äquivalenzprinzips in Frage steht. Unnötige klinischen Prüfungen nicht nur den Herstellern, sondern auch den Patienten zu ersparen. Was bewiesen ist, muss nicht nochmals bewiesen werden.
    • Für diese hochkritischen Produkte führt die MDR ein sogenanntes Scrutiny-Verfahren ein.
  3. Benannte Stellen: Das Prüfunternehmen, das am Ende über die Zertifizierung entscheidet, prüft nicht unabhängig – denn es wird vom Hersteller beauftragt und bezahlt.
    • Die Alternative zu den benannten Stellen ist eine staatliche Zulassungsstelle wie das Kraftfahrtbundesamt in Deutschland oder die FDA in den USA.
    • Die FDA in Amerika prüft selbst auch keine Produkte. Das Totalversagen des Kraftfahrtbundesamts in der „Diesel-Affäre“ lässt auch meiner Sicht nicht den Schluss zu, dass staatliche Stellen besser geeignet seien.
  4. Prüfung der benannten Stellen: Das Prüfunternehmen entscheidet nur anhand der eingereichten Unterlagen – das Produkt selbst wird nicht untersucht.
    • Diese Aussage stimmt insbesondere bei Implantaten in dieser Allgemeingültigkeit nicht. Bei Hochrisikoprodukten ist genau die Prüfung der Produktauslegung explizit gefordert und wird auch durchgeführt. Das betrifft alle Produkte der Medizinprodukteklasse III.
  5. Wechsel der benannten Stelle: Lehnt ein Prüfunternehmen ein Produkt ab, kann der Hersteller es einfach bei einem anderen versuchen.
    • Grundsätzlich ist das erst mal korrekt.
    • Die Anforderungen der neuen Medizinprodukteverordnung stellen sehr hohe Anforderungen an die benannten Stellen.
    • Benannte Stellen mit zweifelhafter Kompetenz, Neutralität und Gesetzestreue wurden geschlossen.
    • Hier müssen sich meiner Erachtens die benannten Stellen untereinander besser Vernetzen.
  6. Medizinisches Fachwissen der benannten Stellen: Es arbeiten kaum Ärzte in den benannten Stellen die den Inhalt von medizinischen Studien beurteilen können.
    • Das ist leider wahr. Die benannten Stellen haben diese Problem jedoch schon vor längerem erkannt und entsprechend reagiert.
    • Die benannten Stellen haben ihr Personal deutlich mit Experten wie Ärzten aufgestockt und „prüfen“ daher intensiver und kompetenter.
  7. Arzneimittel viel Stärker kontrolliert: Medikamente können nur auf den Markt gelangen, wenn umfangreiche Studien mit menschlichen Patienten ihre Wirksamkeit belegen. Silikonkissen oder andere risikoreiche Medizinprodukte können hingegen implantiert werden, ohne dass sie hinreichend getestet sind.
    • Auch bei den Arzneimitteln gibt es schwarze Schafe
      • Unterdosierte Krebsmittel
      • gestohlene Krebsmittel aus Griechenland
      • Blutdrucksenker mit potenziell Krebserregenden Stoff verunreinigt
    • Die strengen Kontrollen bei Arzneimittel können auch nicht vor böswilligen Handeln schützen. Kein System kann das. Egal ob von einen staatlichen Behörde oder von benannten Stellen.
  8. Vorkommnisse: Hersteller reagieren nicht auf Probleme mit Ihren Produkten
    • Es gibt mit Sicherheit Hersteller die Ihrer Pflicht nicht nachkommen
    • Es ist auch korrekt, dass das BfArM hier wenig tun kann. Es hat den Eindruck das das BfArM seine Hauptaufgabe in der Veröffentlichung der Vorkommnisse der Hersteller sieht.
    • Die Landesbehörden führen keine (wahrnehmbare) aktive Überwachung durch und reagieren selbst auf Anfragen zurückhaltend. Ein wirksames Überwachungssystem sieht anders aus.
  9. Haftpflichtversicherung: Es heißt in der neuen Verordnung nur, dass die Hersteller freiwillig eine Versicherung abschließen oder Rücklagen bilden sollen, damit sie bei Schäden durch fehlerhafte Produkte haften können.
    • Hersteller werden im Audit des Qualitätsmanagementsystems (meinst nach ISO 13485) dahingehend geprüft ob eine Haftpflichtversicherung besteht.
    • Das führt zu eine Hauptabweichung die der Hersteller sehr schnell beheben muss
  10. Eudamed Datenbank: Es ist nicht klar welche Informationen öffentlich sein werden. Außerdem scheint er Aufbau scheint aber in Verzug zu sein. Es ist spannend, ob am Ende Abstriche gemacht würden bei Aufbau, Zugang und der Art, wie Daten einpflegt werden. Wenn es nicht erreicht wird, bleibt es erst einmal beim alten, intransparenten System.
    • Die Datenbank soll auch für die Öffentlichkeit (teilweise) einsehbar sein
    • Es ist korrekt, dass noch nicht endgültig entschieden wurde welche Informationen öffentlich werden und welche nicht
    • Dadurch wird es jedoch möglich Medizinprodukte sehr genau nachverfolgen zu können

Öffentlicher Pranger von Unternehmen und Personen

Die Professoren Max Aebi und Thomas Steffen:

Sie waren als Ärzte bei der klinischen Prüfung von Bandscheiben-Implantaten beteiligt waren die zu Problemen geführt haben. Es wird Ihnen Fehler bei der klinischen Prüfung vorgeworfen.

Medtronic

Dem Unternehmen werden Vertuschung vorgeworfen.

Bayer

War das Unternehmen, das die Essure Verhütungsspirale in Verkehr gebracht hat.

Wir hoffen, dass dadurch die Menschen nicht verunsichert werden und Angst vor medizinischen Eingriffen bekommen.

Reaktionen

Reaktionen zu den Implant Files werden sehr aktuell auf der folgenden Seite gesammelt:

Teilweise Gegendarstellung des Bayrischen Rundfunks:

Schlussworte

Die Implant Files sind gut um auf Fehler im System hinzuweisen. Eine gewisses dramatisieren ist notwendig, um aufzurütteln. Wie die Recherche gezeigt hat gibt es durchaus Medizinprodukte bei denen Grund zur Sorge besteht. Es ist unbestritten, dass jeder unnötig geschädigte Patient einer zu viel ist.

Wir hoffen, dass dadurch die Menschen nicht verunsichert werden und Angst vor medizinischen Eingriffen bekommen.

Ich persönlich halte die Relativierung der deutschen Medizintechnikverbände (BVMed, Devicemed, …) nicht für zielführend. Die gesamte Branche muss sich intensiv mit den Vorwürfen und Forderungen auseinander setzten. Da täglich neue Berichte zu den Implant Files veröffentlicht werden, müssen hier sehr viele Diskussionen geführt werden. Zum Zeitpunkt der Aufnahme konnten vom Schweizer Medizintechnikverband hat noch keine Pressemitteilung zu den Implant Files gefunden werden.

Es ist schade, dass die Veröffentlichung mit dem Wechsel der neuen Medizinprodukteverordnung so korreliert. Dadurch sind viele Forderungen der Implant Files “leicht” umzusetzen, weil sie ja schon im neuen Gesetz stehen.

Die Implant Files sind für Hersteller, benannten Stellen und Behörden eine Chance zu zeigen welche Anstrengungen unternommen werden um sichere Medizinprodukte in Verkehr zu bringen. Unser Podcast ist hier ein kleiner Beitrag um für Aufklärung zu sorgen, Informationen zu liefern und Fragestellungen zu beantworten.

Quellen

Hauptseiten der Implant Files

Aufwand für Zulassungen:

Pressemeldungen und Reaktionen:

 

MST007 – Aktuelles: Apple Watch

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Fabian

Grundlagen EKG

  • Elektrokardiogramme, häufig auch als EKG bezeichnet, zeichnen den zeitlichen und örtlichen Verlauf elektrischer Erregungsvorgänge am Herzmuskel auf
  • Jede Erregungsausbreitung über Fasern im Herzen stellt eine Quelle elektrischer Spannung dar
  • Das Herz ist somit eine Potentialquelle und das EKG zeigt quasi ein Bild der Potentialverschiebung oder Elektrizitätserzeugung, also die Erregungsvorgänge am Herzen
  • Bei einem klassischen Elektrokardiogramm liegt die Größe des Nutzsignals bei ca. einem Millivolt.
  • Unterschiede finden sich in der Abnahmetechnik und in räumlicher Hinsicht
  • Als bipolare Ableitung bezeichnet man Ableitungen zwischen zwei Punkten
  • Bei der so genannten unipolaren Ableitung ist eine differente Elektrode gegen eine Nullelektrode geschaltet
  • Als Standardableitungen werden bezeichnet: Die drei bipolaren Extremitätenableitungen (I, II, III) nach Einthoven, die auf diesen Ableitungen basierenden und von Goldberger konstruierten unipolaren Extremitätenableitungen (aVR, aVL, aVF), sowie die sechs unipolaren Brustwandableitungen (V1, V1, V3, V4, V5, V6) nach Wilson
  • Ein konventionelles 12-Kanal-EKG registriert parallel die Extremitätenableitungen nach Einthoven (3) und Goldberger (3), sowie die Brustwandableitung nach Wilson (6)

Der Artikel in der Wikipedia beschreibt das Thema EKG auch sehr gut. Dort werden auch die verschiedenen Abschnitte eines EKGs erklärt.

Quellen:

Apple Watch und EKG

Die Apple Watch besitzt ein sog. 1-Kanal EKG. Generell gilt für 1-Kanal EKGs das Folgende:

Aus dem 1-Kanal-EKG lassen sich aber nur folgende Diagnosen stellen:

  • Bradykardie (zu langsamer Herzrhythmus)
  • Tachykardie (zu schneller Herzrhythmus)
  • Asystolie (kein Rhythmus)
  • supraventrikuläre und ventrikuläre Extrasystolen (Herzschläge außerhalb des physiologischen Herzrythmus)
  • ektoper Rhythmus (eine Art von Herzrhythmusstörung)
  • Vorhof- und Kammerflattern oder -flimmern

Apple hatte Mitte 2016 in den USA ein Patent für eine EKG-Funktion in einem Wearable angemeldet:

Quelle: R. Kramme (Hrsg.), Medizintechnik, 4. Auflage, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011

“Konkurrenzprodukte” unter anderem von:

1. Alivecor

Firma:  https://www.alivecor.com/

Gebrauchsanweisung: https://www.alivecor.com/previous-labeling/kardia/08LB12.5.pdf

FDA:   https://www.accessdata.fda.gov/scripts/cdrh/cfdocs/cfpmn/pmn.cfm
In der Suche bei Applicant Name nach alivecor suchen: Hier sieht man, es wurde sieben mal eine 510(k), eine  Art “Erlaubnis”, ausgestellt.

  • der Hersteller hat die Konformität in der EU erklärt (CE-Zeichen)
  • benannte Stelle war der TÜV Süd (0123) auf dem CE-Zeichen in der Gebrauchsanweisung

Zweckbestimmung:

Das Produkt Kardia Mobile ist für die Aufzeichnung, Speicherung und Übertragung eines Einkanaligen Elektrokardiogramm (EKG) Rhythmus bestimmt. Das Produkt Kardia Mobile zeigt auch EKG-Rhythmen an und erkennt das Vorhandensein von Vorhofflimmern und normalem Sinusrhythmus (wenn verschrieben oder unter ärztlicher Aufsicht verwendet). Das Produkt Kardia Mobile ist für den Gebrauch durch medizinisches Fachpersonal, Patienten mit bekannten oder vermuteten Herzerkrankungen und gesundheitsbewusste Personen bestimmt. Das Produkt ist nicht für den pädiatrischen Einsatz vorgesehen und wurde auch nicht dementsprechend getestet.

2. Personal MedSystems GmbH

Firma: https://www.cardiosecur.com/de/produkt/wie-es-funktioniert/

Gebrauchsanweisung: https://www.cardiosecur.com/de/meta-navigation/footer/hilfe/download-center/

  • der Hersteller hat die Konformität in der EU erklärt (CE-Zeichen)
  • benannte Stelle war der TÜV Süd (0123) auf dem CE-Zeichen in der IFU

Zweckbestimmung

CardioSecur dient dazu, Ruhe-Elektrokardiogramme (-EKGs) von Erwachsenen aufzuzeichnen, auszuwerten und zu speichern. CardioSecur ist ein medizinisches, elektrisches System, welches aus einem EKG-Kabel und einer App für das Smartphone besteht. Mit 4 Elektroden kann CardioSecur ein vollwertiges 15-Kanal-EKG aufzeichnen, auswerten und speichern. Anhand des Vergleiches eines Kontroll-EKGs mit einem Referenz-EKG erkennt CardioSecur mögliche Rhythmus- und Durchblutungsstörungen des Herzens. CardioSecur dient der Selbstüberwachung der Herzaktivität.

Die Aufzeichnung des Referenz-EKGs muss zu einem beschwerdefreien Zeitpunkt erfolgen und wird in der CardioSecur App gespeichert. Die Aufzeichnung kann sowohl unter ärztlicher Kontrolle als auch durch den Anwender selbst erfolgen. Ein Kontroll-EKG sollte sofort bei Beschwerden oder aber unabhängig von Beschwerden in regelmäßigen Abständen (z. B. täglich) erfolgen.

Der Anwender benötigt für die Verwendung von CardioSecur keine medizinischen Vorkenntnisse und muss nicht gesondert geschult sein. CardioSecur wird für Personen mit einer bekannten oder vermuteten Herzerkrankung und für Personen mit Risikofaktoren für eine Herzerkrankung (z. B. Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder erhöhtes Cholesterin) empfohlen. CardioSecur kann sowohl von Patienten als auch von Vorsorgenden verwendet werden. […]

Was ist an der Apple Watch ein Medizinprodukt?

Kurze Wiederholung der Definition Medizinprodukt

Sehr starkt vereinfacht zusammengefasst: Medizinprodukte sind Produkte, die vom Hersteller dazu bestimmt sind

  • Krankheiten und Verletzungen von Patienten zu diagnostizieren, zu überwachen und zu therapieren oder
  • physiologische Vorgänge zu untersuchen oder
  • den anatomischen Aufbau von Menschen zu verändern oder
  • der Empfängnisregelung zu dienen.

Sobald ein Produkt einer dieser Definitionen genügt, ist es ein Medizinprodukt, das den regulatorischen Anforderungen genügen muss. Das bedeutet, dass der Hersteller (mit seiner Zweckbestimmung) entscheidet, ob es sich bei dem Produkt um ein Medizinprodukt handelt.

Wie ist das jetzt mit der “Zulassung” in Amerika von der FDA?

Die FDA hat für zwei Apps auf der Uhr eine “Clearance” (Freigabe) erteilt. Das ist nicht das gleiche wie ein “Approval” (Zulassung”). Approvals gibt es von der FDA nur für Klasse III Produkte (z.B.: Implantierbare Herzschrittmacher).

Das aufwändigste Verfahren ist die FDA-Zulassung, die nur für Produkte der Klasse III erfolgt, oder für Technologien, die ein höheres Risiko, aber auch einen höheren Nutzen haben könnten. https://www.fda.gov/medicaldevices/productsandmedicalprocedures/deviceapprovalsandclearances/default.htm

Apple hat eine “de novo”-Klassifizierung für die beiden Apps erhalten. Das bedeutet,

  • die Apps liegen risikobedingt noch in der Klasse II
  • die Apps haben nicht so viele Tests durchlaufen hat wie ein “zugelassenes” Gerät
  • die Apps sind anders als alles andere auf dem Markt (de novo Charakter)

Interessante Infos, bevor wir in die FDA Unterlagen schauen

Die ehemalige FDA Beamtin Donna-Bea Tillman hat die Einreichung bei der FDA für Apple durchgeführt. Da hat Apple eine exzellente Wahl getroffen.

DeNovo Datenbank: https://www.accessdata.fda.gov/scripts/cdrh/cfdocs/cfPMN/denovo.cfm

  • bei Requester Name nach Apple suchen

EKG App

FDA Dokumente zur de novo Klassifizierung: https://www.accessdata.fda.gov/cdrh_docs/pdf18/DEN180044.pdf

  • Device Class: 2
  • Product Code: QDA

Zweckbestimmung aus der DeNovo Klassifizierung

Die EKG-App ist eine reine mobile medizinische Softwareanwendung, die für die Verwendung mit der Apple Watch bestimmt ist, um ein Einkanal-EKG zu erstellen, aufzuzeichnen, zu speichern, zu übertragen und anzuzeigen, ähnlich dem eines 1-Kanal EKGs. Die EKG-App bestimmt das Vorhandensein von Vorhofflimmern (AFib) oder Sinusrhythmus auf einer klassifizierbaren Wellenform. Die EKG-App wird nicht für Benutzer mit anderen bekannten Arrhythmien empfohlen.

Die EKG-App ist für den rezeptfreien Einsatz (OTC) vorgesehen. Die von der EKG-App angezeigten EKG-Daten sind nur zur Information bestimmt. Der Benutzer ist nicht dazu bestimmt, ohne Rücksprache mit einem qualifizierten medizinischen Fachpersonal klinische Maßnahmen auf der Grundlage der Geräteausgabe zu interpretieren oder zu ergreifen. Die EKG-Wellenform soll die Rhythmusklassifizierung ergänzen, um AFib vom normalen Sinusrhythmus zu unterscheiden, und nicht dazu bestimmt, traditionelle Diagnose- oder Behandlungsmethoden zu ersetzen. Die EKG-App ist nicht für Personen unter 22 Jahren bestimmt.

Die FDA identifiziert diesen generischen Gerätetyp als elektrokardiographische Software für den rezeptfreien Gebrauch. Eine elektrokardiographische Gerätesoftware für den rezeptfreien Gebrauch erzeugt, analysiert und zeigt elektrokardiographische Daten an und kann Informationen zur Identifizierung von Herzrhythmusstörungen liefern. Dieses Gerät ist nicht dazu bestimmt, eine Diagnose zu stellen.

Irregular Rhythm Notification Feature

FDA Dokumente zur de novo Klassifizierung: https://www.accessdata.fda.gov/cdrh_docs/pdf18/DEN180042.pdf

  • Device Class: 2
  • Product Code: QDB

Zweckbestimmung aus der DeNovo Klassifizierung

Das Irregular Rhythm Notification Feature ist eine reine mobile medizinische Softwareanwendung, die für die Verwendung mit der Apple Watch bestimmt ist. Die Funktion analysiert Pulsfrequenzdaten, um Abschnitte unregelmäßiger Herzrhythmen zu identifizieren, die auf Vorhofflimmern (AFib) hinweisen und informiert den Anwender. Die Funktion ist für den rezeptfreien Einsatz (OTC) vorgesehen. Es ist nicht vorgesehen, über jeden Abschnitt eines unregelmäßigen Rhythmus, der auf AFib hindeutet, zu informieren, und das Fehlen einer Benachrichtigung soll nicht darauf hindeuten, dass kein Erkrankungsverlauf vorliegt; vielmehr soll das Merkmal opportunistisch eine Benachrichtigung über eine mögliche AFib hervorrufen, wenn ausreichende Daten für die Analyse verfügbar sind. Diese Daten werden nur erfasst, wenn sich der Benutzer noch im Ruhezustand befindet. Zusammen mit den Risikofaktoren des Benutzers kann die Funktion genutzt werden, um die Entscheidung für das AFib-Screening zu ergänzen. Das Merkmal ist nicht als Ersatz für herkömmliche Diagnose- oder Behandlungsmethoden gedacht.

Die Funktion wurde nicht getestet und ist nicht für die Verwendung bei Personen unter 22 Jahren vorgesehen. Es ist auch nicht für die Verwendung bei Personen bestimmt, bei denen zuvor AFib diagnostiziert wurde.

Die FDA identifiziert diesen generischen Gerätetyp als photoplethysmographische Analysesoftware für den stationären Einsatz. Eine Photoplethysmographie-Analyse-Softwarevorrichtung für den rezeptfreien Gebrauch analysiert Photoplethysmographie-Daten und liefert Informationen zur Identifizierung unregelmäßiger Herzrhythmen. Dieses Gerät ist nicht dazu bestimmt, eine Diagnose zu stellen.

Wie sieht es in Europa (und damit auch Deutschland) aus?

In Europa und damit auch in Deutschland sind die beiden Apps nicht verfügbar, da Apple keine Konformität nach EU-Recht erklärt hat.

In Europa erklären die Hersteller die Konformität selbst. Eine benannte Stelle ist meist in das Konformitätsbewertungsverfahren eingebunden.

Es wird sich vermutlich um ein aktives Medizinprodukt handeln.

  • Regel 10 MDD
  • Regel 9, 10, 11 MDR

Auszug Regel 10 MDD:

Alle aktiven diagnostischen Produkte gehören zur Klasse IIa,

  • wenn sie dazu bestimmt sind, eine direkte Diagnose oder Kontrolle von vitalen Körperfunktionen zu ermöglichen, es sei denn, sie sind speziell für die Kontrolle von vitalen physiologischen Parametern bestimmt und die Art der Änderung dieser Parameter könnte zu einer unmittelbaren Gefahr für den Patienten führen, z.B. Änderung der Herzfunktion, der Atmung oder der Aktivität des zentralen Nervensystems, oder wenn sie für die Diagnose in klinischen Situationen, in denen der Patient in unmittelbarer Gefahr schwebt, bestimmt sind; in diesen Fällen werden sie der Klasse IIb zugeordnet

Siehe Episoden MST-002 (Rechtliche Grundlagen MDR) und MST-003 (Anwendung rechtlicher Grundlagen)

MST002 – Regulatory: Rechtliche Grundlagen: MDR

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Fabian
In der zweiten Episode dieses Podcasts behandeln wir die MDR (Medical Device Regulation), als rechtliche Grundlage für Hersteller und Inverkehrbringer von Medizinprodukten.

Folgende Themen besprechen wir:

  • Erratum
    • Wir stellen ein paar Dinge in Bezug auf letzte Folge klar, die so nicht ganz richtig waren. So fordert die MDR nicht explizit ein Risikomanagement nach ISO 14971 oder ein Qualitätsmanagement nach ISO 13485. Sie stellt jedoch Anforderungen daran.  Mit der Erfüllung der (harmonisierten) Norm z.B. EN ISO 13485 kann nachgewiesen werden, dass ein Qualitätsmanagement umgesetzt wurde, dass den Anforderungen der MDD und MDR entspricht. Selbiges gilt für die anderen Normen. Man spricht hier dann von der sogenannten Konformitätsvermutung.
  • Statistik

#MDDMDRAuswertung
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Wörter26.063 91.223~ 3,5 mal so viel
Artikel5092~ 1,8 mal so viel

  • Unterschiede Anhang I MDD/MDR
    • Wir erklären in ein paar Minuten die Änderungen bzw. Unterschiede zu den allgemeinen Anforderungen des Anhang I der MDD und der MDR.

  • Konformitätsbewertungsverfahren
    • Es gibt es noch! Wie die Abläufe sind, je nach Klassifizierung des Medizinprodukts, zeigen wir euch in den nachfolgenden Bildern:

  • CE Kennzeichnung
    • Zum Abschluss gibt es noch einen kurzen Überblick über das CE Zeichen und was regularisch dahinter steckt.

weitere Quellen:

Wenn ihr uns unterstützen wollt und euch gefallen hat, was wir in dieser Episode erzählt haben oder Ihr Fragen und Anregungen habt, schreibt uns doch einen Kommentar in diesen Blog.

Ihr könnt uns auch über eine kleine Spende unterstützen. Das hält den Podcast weiter am Leben

Vielen Dank fürs zuhören und bis zum nächsten mal bei der Medical Standard Time.

MST001 – Regulatory: Rechtslage in Europa

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Fabian

In der ersten Episode dieses Podcasts geht es darum, wie die Rechtslage in Europa aussieht.

Folgende Fragen sollen beantwortet werden:

  • Was muss ein Medizinproduktehersteller beachten, um seine Produkte in Verkehr zu bringen?
  • Welche Verordnungen, Richtlinien und Normen müssen eingehalten werden?

Anhand eines Zeitstrahls erläutern wir zu Beginn, wie sich gewisse Regularien mit der Zeit entwickelt haben und erklären beispielhaft welche Ereignisse Einfluss auf die Regularien genommen haben.

Wir erläutern ein paar Unterschiede zwischen der europäischen Richtlinie “Medical Device Directive (MDD)” und der neuen Verordnung “Medical Device Regulation (MDR)“.

In dem letzten Abschnitt geben wir einen Überblick über die häufig anzuwendenden Normen:

NummerGremiumTitelLink zur ISO/IEC HomepageLink zur Wikipedia
13485ISO Medizinprodukte - Qualitätsmanagementsysteme - Anforderungen für regulatorische ZweckeISO 13485ISO 13485 (wikipedia)
60601‑1IECMedizinische elektrische Geräte - Teil 1: Allgemeine Festlegungen für die Sicherheit einschließlich der wesentlichen LeistungsmerkmaleIEC 60601-1IEC 60601-1
14971ISOMedizinprodukte - Anwendung des Risikomanagements auf MedizinprodukteISO 14971ISO 14971
62304IECMedizingeräte-Software - Software-Lebenszyklus-ProzesseIEC 62304IEC 62304 (en)
82304IECGesundheitssoftware - Teil 1: Allgemeine Anforderungen für die ProduktsicherheitIEC 82304Stand April 2018: Kein Wikipedia Artikel
62366IECAnwendung der Gebrauchstauglichkeit auf MedizinprodukteIEC 62366IEC 62366

Wie auf den Bildern zu sehen und in der Episode zu hören ist, wird an verschiedenen Stellen ein Qualitätsmanagement und Risikomanagement gefordert. Damit wird uns die ISO 13485 (Qualitätsmanagement) und die ISO 14971 (Risikomanagement) in weiteren Episoden begleiten.

In den Bildern findet Ihr folgendes:

  • Zeitstrahl: Beispielhafte zeitliche Entwicklung der Regularien
  • Beziehung zwischen der MDD, MDR und Nationalen Gesetzen und was das für den Medizinproduktehersteller bedeutet
  • Beziehungen zwischen der MDR und den häufig anzuwendenden Normen
  • Übersicht: Neue Norm IEC 82306 für Standalone Software

Quellen: